Gentrifizierung vs. Porridge. Es ist kompliziert

Nachdem ich letztens das Plakat zu einer Ausstellung über Berlin in den 1990er Jahren gesehen habe, ist mir noch einmal bewusst geworden, wie besonders die Phase nach dem Mauerfall hier war. Es gab eine Zeit, in der viel probiert werden konnte und auch in zentraler Lage viele finanziell wenig aussichtsreiche Projekte ganz selbstverständlich ihren Platz hatten. Das machte auch einen Charme aus, der Berlin zu einem Magneten für Menschen machte, die diese Stimmung genießen wollten. Nun, zwanzig, dreißig Jahre später sieht es anders aus. Die Räume zum Experimentieren werden immer kleiner und alle paar Wochen schließt irgend ein Ort, bei dem man weiß, dass es keinen Ersatz gibt.

Aktuell ist mir das aufgefallen, als wir morgens um acht in einen der wenigen Frühstücksorte gehen wollten, der so früh schon offen hat. Es war ein kleiner Holzverschlag, in dem es recht hervorragenden Porridge gab, der auch noch überraschend preiswert war.

Diesmal war der Laden zu und an der Tür hing eine knappe “Spekulanten zerstören unseren Lebensraum !"-Notiz.

Alles klar, denkt man sich. Another one bites the dust. Sicher wird es in ein paar Monaten noch so eine nichtssagende Fassade mit Tiefgarageneinfahrt geben und Menschen einziehen, die so gern im Szenekiez wohnen wollten, weil es da so verrückte kleine Läden gibt.

Das soll gar nicht grundlegend fatalistisch klingen, denn ganz so einfach darf man sich das mit der Gentrifizierungs-Kritik ja auch nicht machen. Irgendwoher müssen die Häuser ja auch kommen und ganz abgeranzt wollen ja auch die wenigsten wohnen. Und da beginnt es dann, schwierig zu werden. Etwas schnippisch wurde handschriftlich entsprechend unten auf dem Zettel kommentiert: »mmh, vor 100 Jahren haben Spekulanten wie Sonntag, Wühlisch, etc. diesen Kiez erst erbaut - schwierig, nicht wahr?«. (Etwas mehr zu den Namen kann man hier lesen). Tschja. Ist das nun ein berechtigter Einwand, oder nicht? Auf jeden Fall sieht man dabei zu, wie der Charme leicht schräger Konzepte zusehends verschwindet und einer homogenen Masse einfallsloser Loft-Neubauten weicht. Ich habe mir wenigstens gemerkt, wie man Porridge selber kocht, denn das Rezept hing an der Wand: Haferflocken mit doppelter Menge leicht gesalzenem Wasser aufkochen, ein paar Minuten köcheln lassen, bis der Porridge bissfest ist. Fertig.

(Das eigentlich Lustige an der Geschichte: Der Laden hat noch zwei weitere Filialen und kündigte gerade an, bald in Bahnhöfen präsent zu sein. Das macht diesen Post jetzt entweder kaputt oder passt perfekt.)